Circular Construction Works – Status Quo und Ausblick aus Expertensicht

|   Projekte

Am 19. März erschien in Beilage „Immobilienwirtschaft“ von Der Standard ein Artikel über den EU Circular Economy Action Plan und die österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie. iC Experte für Nachhaltigkeit Markus Auinger, traf HNP architects Partner Oliver Oszwald und Florian Rode, Madaster Managing Director Werner Weingrabner und iC Partner Lucas Artner zum Gespräch über den Status Quo.

  • Circular Construction Works – Status Quo und Ausblick aus Expertensicht

Der EU Circular Economy Action Plan und die österreichische Kreislaufwirtschaftsstrategie definieren Rahmen und Ziele, welche die Sektoren Construction und Real Estate adressieren. Zeit, den Status Quo zu erläutern sowie einen Ausblick über Grenzen und Möglichkeiten zu geben.

Herr Weingraber, sie etablieren seit gut einem halben Jahr durchaus erfolgreich ihr Produkt „Madaster“ in Österreich. Was­dürfen wir uns darunter vorstellen?

Weingraber: Madaster ist ein Stoffstrom-Kataster, welcher Materialien und deren Güte erfasst. Gebäude können so zirkulär geplant, optimiert und bewertet werden, hochwertige Sekundärmaterialien gewonnen werden.

Warum engagiert sich ihr Unternehmen in­ diesem Bereich?

Oszwald: Der sogenannte digitale Gebäudepass wird uns europaweit ab voraussichtlich dem Jahr 2026 in Neubau und Sanierung ereilen. Wir sehen bereits heute, dass viele institutionelle Bauherren diese Anforderung vorfristig umsetzen möchten, um im Kontext regulativer Anforderungen, Planungssicherheit und Wertstabilität zu erreichen. Nahezu alle unserer jüngeren Planungsprojekte beschäftigen sich mit diesem wichtigen Thema und dies ­zunehmend intensiver.

Artner: Kreislauffähigkeit bzw. die Cirular Economy Performance von Bauwerken sind eine zentrale Säule des European Green Deals: ohne geschlossene Kreisläufe sind die Klimaschutzziele schlicht nicht erreichbar. Die beiden Sektoren allokieren gemeinsam gut 50 % des gesamten Ressourcenverbrauchs am Kontinent. Eine Auseinandersetzung mit diesem Thema ist in den Klimaschutz- und Unternehmens-Strategien vieler unserer Auftraggeber eingebettet. Neben dem Hochbau werden insbesondere auch Infrastrukturbauwerke, wie Schiene oder Straße, adressiert. Durch den im Vergleich zum Hochbau wesentlich größeren Materialeinsatz in Tief- und Ingenieurbau sehen wir hier enorme Potentiale, einen Beitrag zur Transition zu leisten.

Worin besteht der Unterschied einer „konventionellen“ zu einer kreislauf fähigen Konstruktion?

Rode: Wir transformieren unsere Objektplanungen dahingehend, dass wir einerseits die künftige Trennbarkeit von Bauteilen und deren Schichten sicherstellen und andererseits Materialien verwenden, die nach dem Gebäuderückbau rezykliert und wiederverwendet werden können. Madaster ermöglicht uns dabei, eine allgemein anerkannte Metrik anzuwenden, um über den sogenannten Zirkularitäts-Index die Cirular Economy Performance zu erfassen und weiter zu optimieren.

Artner: Stofflich betrachtet ergänzen wir dies auch um embodied carbon, also die in den Rohstoffen und Produkten gebundenen Umweltauswirkungen und deren Recycling-Potenzialen. Zielsetzung dabei ist, dass zum künftigen Rückbau des Bauwerkes deutlich mehr als 80 % nach Masse vollständig rezykliert werden können und bereits zur Errichtung möglichst hohe Massenanteile an sekundärrohstoffen verwenden. Hier sind wir mit dem heute am Markt verfügbaren Angebot limitiert. Netzwerke – wie Madaster – schaffen neben Austausch auch Lösungsansätze. Zusammen betrachtet mit Anforderungen der Regulatorik sowie freiwilligen Marktstandards verfügen wir über wirkmächtige Werkzeuge, um Projekte hinsichtlich Kreislaufwirtschaft und Nachhaltigkeit spürbar zu transformieren.

Weingraber: Kreislauffähigkeit lässt sich immer mehr wirtschaftlich darstellen. Ob in Herstellung, Verkauf oder Finanzierung: Nachhaltige Planung und Umsetzung, gut dokumentiert, ermöglicht niedrigere Finanzierungskosten und einen wesentlichen Restwert für verbaute Materialien.

Wo sehen Sie das für heutige Maßstäbe gewöhnliche Projekt in fünf oder zehn Jahren?

Oszwald: Wir haben die hierfür notwendigen Prozesse bereits vollständig in unseren Workflows verankert. Mit jedem Bauherrn, welcher diese Thematik in seinem Projekt etabliert, erreichen wir einen weiteren Schritt in diese Richtung. In cirka fünf Jahren ist dies nach unserer Einschätzung Markt- und rechtlicher Standard in der Großzahl der Projekte.

Artner: Neben der Planung liegen wesentliche Hebel insbesondere im Bereich der Ausführung, der Errichtung von Bauwerken. Hier liegt es an uns, gemeinsam mit den Bauherren und allen Planungspartnern, niederschwellige Angebote und Lösungsansätze zu etablieren, um alle Beteiligten der Lieferkette über Anreize an Bord zu holen. Neben der Kreislauffähigkeit stellt uns die Dekarbonisierung von Produkten sowie insbesondere von Bau- und Logistikprozessen vor große Aufgaben. Wenn die gesamte Wertschöpfungskette gemeinsam in diese Richtung zieht, ist dies gut lösbar. Vielleicht nicht vollständig in fünf Jahren, aber sehr wahrscheinlich in zehn Jahren.